Die Tage in Umbrien waren wunderschön. Auch Mitte September hatten wir den ganzen Tag Sonne und Temperaturen um die 30 Grad. Als ich am ersten Abend auf das von Weinreben umgebene Gehöft kam, wäre ich am liebsten direkt in den Pool gesprungen. Das Abendessen ließ mich davon abkommen und ich genoss den ersten Abend trocken. Wir waren ein kleineres Grüppchen als geplant und letztlich eine perfekte Größe. Nach einem gemeinsamen Frühstück bei dem Stück für Stück alle eintrudelten, teilten sich die Aktivitäten jeden Morgen und ich lag meist irgendwo am Rande und las. Am frühen Nachmittag aß, wer hungrig war und am Abend wurde für alle gekocht. Wir feuerten den Pizzaofen an und genossen an zwei Abenden fantastische Pizzen. Ich gewöhnte mir an, nach dem Aufstehen in den Pool zu gehen. Durch das Morgentau nasse Gras hinauf zum Pool. Auch wenn das Becken nur zehn Meter maß, schwamm ich schon beim ersten Mal mehrere hundert Meter. Mein Ansporn, von dem ich dachte, ich hätte ihn gar nicht eingepackt, war geweckt. Fünfhundert, dann 750 und schließlich tausend Meter wurden zu meinem Tagesziel. Am letzten Morgen erwachte ich noch vor Sonnenaufgang. Barfuß ging ich durch das nasse Gras und spürte die Kälte der Nacht. Das Wasser im Becken ließ leichte Nebelschwaden aufsteigen und war wärmer als die Umgebung. Als ich langsam einen zunehmend goldenen Streifen in den Bergen vernahm, begann ich brustschwimmend auf den Sonnenaufgang zu und auf dem Rücken schwimmend von ihm weg zu schwimmen. Auf keinen Fall wollte ich den Moment verpassen, in dem die Sonne über den Berg steigt und darüber hinweggleitet. Bald deutete sich ein erstes Schimmern in den Nebelschwaden an. Mochten es durch die feinen Tropfen in der Luft umgelenkte Strahlen von hinter dem Berg sein? Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn wenige Augenblicke später blitzte ein Sonnenstrahl auf. Ich hing inzwischen mit den Armen aufgestützt über der Kante des Pools und blickte gebannt auf das Sonnenschauspiel. Vor mir lag Wiese, Weinberg und Tal — wir alle wohnten dem Schauspiel bei, doch wahrscheinlich war es nur für mich ein magischer Moment. Auch wenn man es nicht tun soll, blickte ich direkt in die Sonne. Der Moment war es wert, verbotenes zu tun. Die glitzernden Sonnenstrahlen vermochten noch nicht allzu viel Wärme zu überbringen und doch sog ich auf, was mir der runde Feuerball auf die nasse Haut warf. Ich war bei weit über 1000 Metern im kurzen Becken angekommen und genoss die Ruhe. Nur leichtes schwappen der tausenden Liter Wasser um mich am Beckenrand und erwachende Insekten und Vögel um mich. Hin und wieder hörte ich ein Auto in der Ferne. Ich muss zehn Minuten gestanden und geschaut haben, bis ich merkte, wie kalt mir wurde. Daran konnte auch die inzwischen gänzlich über die Berge gekletterte Sonne nichts ändern. Ich fror. So beendete ich mein morgendliches Schwimmen und stieg aus dem Wasser in den Tag.
Sonnaufgangsschwimmen
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